Quelle: Berliner Zeitung, 09.03.2002

Werbung, getarnt als Lehrmaterial

Felix Zimmermann

Ist das die Lösung für die deutsche Bildungskatastrophe? Erinnern wir uns: Die Pisa-Studie bescheinigte deutschen Schülern allenfalls Mittelmaß im internationalen Vergleich. Es wurde und wird viel diskutiert, wie wir der Katastrophe entgehen können.

Jetzt zieht ein Silberstreif auf am Horizont, Rettung naht. Die deutschen Mobilfunkfirmen haben eine Idee gehabt: mehr Kooperation von Industrie und Schulen. Unternehmen wie T-Mobil, Vodafone und E-Plus fangen gleich damit an. Über ihre Lobby-Einrichtung "Informationszentrum Mobilfunk" (IZMF) versorgen sie Schulen mit Unterrichtsmaterial, das für alle Fächer geeignet sein soll. Damit wollen sie die "Kommunikationstechnologie der Zukunft zum Thema an den Schulen" machen. Schließlich sei das Handy zum unverzichtbaren Begleiter geworden, dessen Vorteile auf der Hand lägen.

Sollte der Schulunterricht zum Thema "Mobile Kommunikation" tatsächlich nach dem Handyfirmen-Material ablaufen, wäre ein unkritischer Zugang garantiert: Die Macher des Lehrmaterials loben die Möglichkeiten mobiler Kommunikation mittels Handy vor allem über den grünen Klee, reden von tollen Jobperspektiven, rechnen die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Mobilfunk für den Standort Deutschland vor - und lenken von Problemen und Gefahren der Technologie ab.

Bis über beide Ohren verschuldete Schüler, die zu viel gesimst und telefoniert haben? Strahlung, Elektrosmog?

Diese Themen haben keinen Platz im Lehr-Material oder werden verharmlost ("Wissenschaft gibt Entwarnung bei Mobilfunkanlagen"). Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Handyfirmen jetzt mit ihrer gut getarnten Idee kommen: Jetzt, da die Branche am Boden ist, weil der Handy-Boom abgeebt ist.

Nächste Demo: Nürnberg, 11.3., 14.30 Uhr, Südwestpark 38, vor dem VIAG-Interkom-Gebäude

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