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Machtvolle Schülerdemonstration gegen Mobilfunksender in Tübingen

Quelle: Reutlinger Generalanzeiger, 17.05.2002

»Weg, weg, weg - der Sendemast ist Dreck«

Schüler des Wildermuth-Gymnasiums demonstrieren erneut gegen den Mobilfunkmast der Deutschen Bahn
Tübingen. (mwm) »Platzieren sie den Mast woanders hin«, fordert Alfred Lumpp, Rektor des Wildermuth-Gymnasiums, die Deutsche Bahn AG am Ende seiner Rede vor dem Tübinger Rathaus auf. Trotz der spontanen Schüler-Demonstration Anfang Februar und einer Unterschriftensammlung hat die Bahn in dem Streit bisher offenbar nicht eingelenkt. Jetzt zogen erneut 1 200 Schüler los, um gegen die Sendeanlage zu protestieren.

Akustische Wellen gegen Mikrowellen - Schüler des Wildermuth-Gymnasiums singen ihr Protestlied auf dem Tübinger Bahnhof. Foto:mwm

»Drei nebeneinander, viele viele hintereinander«, fordert ein Lehrer die Schüler im Hof hinter der Schule auf, sich zu gruppieren. Bereits hier wird mit voller Puste in die Trillerpfeifen hineingeblasen. Das Pfeifkonzert wird durch im Kreis geschwungene Rätschen ergänzt. »Durch Sendestrahlen sinken Schülerzahlen«, »Weg weg weg - Sendemast ist Dreck« und »Versetzt die Schule oder den Sendemast« ist auf Transparenten zu lesen. Kurz nach zwölf Uhr marschieren die Schüler los in Richtung Marktplatz.

Ein kleine Schülergruppe läuft zusammen mit vier Lehrkräften zum Tübinger Hauptbahnhof. Dort angekommen, stimmen sie auf dem Bahnsteig zu Gitarrenklängen ihr Protestlied »Weg muss dieser Sendemast« an. Vorbeikommende Passanten werden mit Handzetteln auf die Problematik aufmerksam gemacht. Später stoßen sie zur zentralen Protestkundgebung vor dem Rathaus hinzu.

Nicht klein kriegen lassen

»Ich bin der Meinung, dass es billiger ist, den Mast als vier Schulen in der Uhlandstraße abzubauen und anderswo wieder aufzubauen«, sagt der Zweitklässler Louis, der an das Mikrofon hochgehalten wird. Klatschend und jubelnd bekunden die Schüler ihre Zustimmung. »Egal, was auch passiert, wir werden uns nicht klein kriegen lassen«, beendet der Gymnasiast Stefan Oswald kämpferisch seine Ansprache. »Schule ohne Sendemast«, skandieren die Schüler gemeinsam im Chor nach den Redebeiträgen.

Einer gemeinsamen Presseerklärung der Stadt und der Bahn zufolge geht der Sendemast, der das Wildermuth-Gymnasium durchstrahlen würde, vor den Sommerferien nicht in Betrieb. In einem Gespräch Anfang Mai in der Schule hatte die Tübinger Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer ihre Solidarität mit Schüler und Lehrern unterstrichen. Sie hat der Bahn eine Frist bis zum 27. Juni gesetzt - bis dahin soll die Bahn einen alternativen Standort geprüft haben.

Auf Unverständnis stößt ein nach den Sommerferien erwägter Probebetrieb, der zuvor bei der Stadt und der Schule angemeldet werden würde. »Warum der Probebetrieb, wenn der Mast dort gar nicht in Betrieb genommen werden soll?«, befürchtet der Lehrer Martin Ulrich Merkle eine Hinhaltetaktik der Bahn. An einer Alternative fehlt es indes nicht: Auf dem Bahnbetriebsgelände würde der Mobilfunkmast - so die einhellige Meinung - nicht stören.

»Die Bahn nimmt unser Problem nicht ernst«, ist Alfred Lumpp verärgert. Da eine gesundheitliche Gefährdung durch den Sendebetrieb nicht ausgeschlossen werden kann, ist es für ihn unbegreiflich, dass die Bahn »keinen Imageschaden befürchtet«. Die praktizierte »Politik des Aussitzens wird nicht helfen - wir bleiben hart«, so Lumpp. Die Nutzung der Bahn wird in Zukunft überdacht werden.

»So lange der Mast an der Schule steht, wird keine Ruhe einkehren«, ist sich Lumpp sicher. Falls nichts passiert, will man von Seiten der Schule weitere Maßnahmen organisieren. Gedacht wird beispielsweise an Unterrichtsveranstaltungen in der Bahnhofshalle. Ob der Rückgang der Anmeldungen von 170 Schüler im Vorjahr auf 115 in diesem Jahr durch den Sendemast bedingt ist, kann der Rektor weder bestätigen noch ausschließen.

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